Wie ihr euch nie mehr mit unliebsamen Argumenten beschäftigen müsst:
Wie wir alle wissen, haben wir immer Recht. Also jeder von uns. Wir sind alle wahnsinnig klug und gut informiert, daher irren wir uns nicht und müssen uns nicht um unsinnige Argumente kümmern.
Da das aber rüde oder gar ideologistisch wirken könnte, hier ein paar elegante Tricks wie wir Argumente ignorieren können ohne gleich so zu wirken wie die wissenschaftsleugnenden Schwurbler. Mit diesen Tricks – und einem Hauch Ignoranz – können wir uns sogar beim Argumente ignorieren für intelligent halten. Super praktisch.
- Quellenkritik: So nützlich, weil wir ursprünglich mal gelernt haben, dass Quellenkritik eine legitime rationale Art ist, Information zu bewerten: Brockhaus gut Wikipedia böse, Die Zeit gut Bild böse, Lancet gut Newsletter Wiener Ärztekammer böse. Obwohl es den Brockhaus (zumindest gedruckt) nicht mehr gibt, haben die meisten noch nicht geschnallt, dass diese Daumenregel eine Daumenregel ist, und kein wissenschaftliches Prinzip. Wenn es uns also gelingt die Quelle in den Dreck zu ziehen, können wir beruhigt das Argument ignorieren.
- Wer hat’s gesagt: Dieser Trick ist eine Mischung aus Quellenkritik und dem guten alten „Ad hominem“ – also dem Angriff auf die Person, statt auf sein Argument. Jemanden einfach als inkompetenten Idioten zu bezeichnen ist nicht in jeder Situation gesellschaftlich akzeptiert, und platte Beschimpfungen sind auch nicht immer die feine Klinge. Ihr könnt den Trottel und seine Argumente jedoch ignorieren, wenn ihr ihn mit früheren Irrtümern, Irrtümern auf einem anderen Gebiet oder sogar nur unpopulären Meinungen in Verbindung bringen könnt. Wenn es der Falsche gesagt hat, kann man sich das überprüfen sparen. Aber es geht noch besser: Es muss gar nicht der Falsche gesagt haben:
- Kontaktschuld: Die ist großartig, denn Kontakt zu allem hilft. Kontaktschuld ist die intellektuelle Schwester der Sippenhaftung, nur noch viel universeller einsetzbar. Jegliche Form von Kontakt zu einem unliebsamen, zweifelhaften, politisch anders Stehenden oder einfach zu irgend wem der sich irgendwann in irgend was geirrt hat, ist völlig ausreichend. Mir passt nicht was Richard Dawkins über Transsexuelle sagt? Egal, kann ich ignorieren, denn der hat schon mal mit einer bekannten TERF ein Gespräch geführt! Und sie danach nicht gehasst! Super, damit muss ich mir nie wieder eines seiner Argumente anhören. Martin Sprenger hat das Buch von Clemens Arvay gelobt? Was für eine Erleichterung, dann kann ich auch alles andere endlich ignorieren, was er zu Corona gesagt hat. Ach was, ich kann überhaupt alles ignorieren was er jemals gesagt hat. Martin Moder war bei Servus TV? Wusste doch, dass man dem nicht trauen kann, wenn er bei diesem Verschwörungssender auftritt. Mai Thi ist mit einem Mann verheiratet, der für einen Pharmakonzern arbeitet? Pharmamafia, der kann man gar nichts glauben! … Ich denke Sie haben das Prinzip verstanden. Extrem nützlich, weil es keinerlei Grenzen gibt. Jeder beliebige Kontakt mit irgendwas, dass man anschwärzen kann, reicht um für immer gegen jegliches unbeliebte Argument aus dieser Ecke immun zu sein.
Manchmal reicht es nicht, Argumente ungeprüft ignorieren zu können. Manchmal ist es notwendig, selber Argumente vorzubringen. Auch da gibts eine einfache Methode, die beinahe wissenschaftlich wirkt, aber in Wirklichkeit auch komplett faktenfrei funktioniert: Hirnrissige Vergleiche, die gut klingen: Vergleiche sind schwierig. Im Idealfall veranschaulichen sie einen Sachverhalt und helfen daher etwas klar zu sehen. Aber ein Vergleich ist per se nicht ident mit dem, um was es gerade geht. Kluge Menschen sind sich daher der eingeschränkten Aussagekraft bewusst und gebrauchen Vergleiche vorsichtig. Muss aber nicht sein. Heutzutage könnt ihr die Wirksamkeit einer Maske ruhig mit dem Pinkeln durch eine Hose veranschaulichen. Ist zwar kompletter Schwachsinn, schaut aber gut genug aus, dass auch der eine oder andere Wissenschaftsfreund es geliked hat.
Wie, so gehen doch nur Schwurbler und Querdenker vor? Dachte ich auch, aber spätestens seit Corona ist das alles auch in intellektuellen Kreisen wieder total hipp. Wenn es hart auf hart kommt, ist Gruppenzugehörigkeit eben viel wichtiger als saubere Argumente.